Rede anläßlich der Ehrung von Dr. Ernst Urbahn am 7. April 2013 in Zehdenick

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Anwesende,
heute vor 125 Jahren wurde hier, am 7. April 1888, im Haus Dammhaststraße 31, Ernst Urbahn als Sohn des Bankangestellten und Holzhändlers Ludwig Urbahn, geboren. Zusammen mit seiner Schwester Emmi wuchs er hier auf. Von seinem Zimmer in der zweiten Etage konnte er die Havel sehen und sein Interesse für die Natur wurde, nicht zuletzt durch seinen Vater und dessen Brüder, die sich für die Schmetterlingskunde interessierten, geweckt.  Mit sieben Jahren sammelte Ernst Urbahn seine ersten Schmetterlinge. 
 
Nach dem Besuch der Bürgerschule in Zehdenick, wechselte Ernst an das Carolinum in Neustrelitz, nach dem Abiturabschluß folgten Studien in Heidelberg, Berlin und Jena. Seine Doktorarbeit von 1913 trägt den Titel „Abdominale Duftorgane bei weiblichen Schmetterlingen,“ die er mit magna cum laude abschloß. Während seiner Lehrertätigkeit in Brandenburg/Havel lernt er seine Schülerin und spätere Frau, Herta Schröer, kennen. Beide gehen erst nach Schwiebus, dann nach Stettin. Ernst Urbahn findet dort 1920 eine Anstellung als Oberlehrer.  Im selben Jahr heiraten Herta und Ernst in der Stadt an der Oder. In seiner Frau fand er eine unermüdliche und kritische Mitstreiterin, mit der er sich das Ziel setzte, das sie in zwanzigjähriger gemeinsamer Arbeit vollendeten. So waren die gemeinsamen Urlaube immer Arbeitsurlaube. Kinder hatten sie nicht.
 
In Stettin schufen sie in ihrer Freizeit eine umfangreiche und akkurate Schmetterlingssammlung, welche sich dort im Museum befand und 1945 durch einen Brand vernichtet sein soll. Teile der Sammlung sollen sich aber im Naturkundemuseum in Warschau befinden. Urbahns haben zu Lebzeiten auf ihre Nachfragen bei polnischen Behörden keine Antwort bekommen.
 
Beide überleben den Krieg und bleiben in Stettin. Die Stadt gehört eigentlich zur SBZ, stand aber unter polnischer Verwaltung. Als Deutsche im Sommer 1945 keine Lebensmittelkarten mehr erhalten, beschließen sie nach Zehdenick zurück zu kehren. Mit einem selbstgebauten Wägelchen machen sie sich auf den Weg und erreichen im September die Havelstadt um sich hier sofort für den Wiederaufbau eines demokratischen Schulsystems einzusetzen (Bis zu seinem 69. Lebensjahr arbeitete er als Lehrer und Schuldirektor am Gymnasium in Zehdenick).
 
Die Eltern von Ernst Urbahn waren verstorben und so konnten sie in das Haus in der Poststraße 15 in Zehdenick einziehen, welches der Vater zwischenzeitlich gekauft hatte. Mit 57 Jahren begann Dr. Urbahn noch einmal von vorn, seine wissenschaftlichen Arbeiten über die Schmetterlingsfauna Hinterpommerns hatten erst einmal keinen Wert mehr, da Pommern nun zu Polen gehörte. Also begann er sich der Artenvielfalt Brandenburgs zu widmen, die Umgebung seiner Heimatstadt wurde sein Jagdrevier.  Der Optiker Ernst Kiesel interessierte sich ebenfalls für Schmetterlinge und er hatte ein Auto. 
Aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft erwuchs eine langjährige Freundschaft beider Familien, sowohl privat als auch fachlich in der Naturschutzarbeit. Da der Arbeitsradius nun wesentlich vergrößert war, erfolgten viele gemeinsame Exkursionen in das Zehdenicker Umland. Bis zu ihrem Lebensende war die Sammlung auf 2.500 Arten angewachsen.  Heute ist sie im Naturkundemuseum in Berlin zu sehen.
 
Die Arbeit von Dr. Urbahn fand hohe Anerkennung durch die Mitgliedschaft in in- und ausländischen Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften. Die Akademie der Wissenschaften verlieh ihm die Leibniz-Medaille in Gold. Im Jahr 1968 wurde Dr. Ernst Urbahn die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Zehdenick verliehen.
 
Mit der Gründung der Natur und Heimatfreunde im Kulturbund der DDR wurden aus Einzelkämpfern organisierte Fürsprecher für Natur- und Heimatschutz. So wurde die erste Naturschutzausstellung der DDR, die von Erna und Kurt Kretschmann im Bad Freienwalde zusammengestellt war, auch in Zehdenick ausgestellt.  Dr. Hans-Joachim Bormeister stand den Naturfreunden viele Jahre als Vorsitzender vor, unterstützt von den Urbahns und anderen aktiven Zehdenickern. Der Heimatverein war jahrelang Anlaufpunkt für alle Naturinteressierten des Altkreises Gransee. So kann es auch niemanden mehr verwundern, daß die erste Regionalgruppe der GRÜNEN LIGA in den Neuen Bundesländern am 3. Januar 1990 in Zehdenick gegründet wurde. Darauf darf die Stadt Zehdenick mit Recht Stolz sein.
 
In der Festschrift zur 750 Jahrfeier der Stadt Zehdenick forderte Dr. Urbahn im Juni 1967 die Unterschutzstellung des Feuchtgebietes an der Klienitz als Naturschutzgebiet. Zusammen mit seinem Kollegen und Freund, dem Studienrat Dr. Erich Griebnitz, verfaßte er mehrfach Schutzgebietsanträge für die Klienitz und reichte sie bei der zuständigen Kreisverwaltung ein. Hierbei fanden sie Unterstützung durch den Jagdpächter und Naturliebhaber Kurt Riesenberg, der viele Daten für den Schutzgebietsantrag aus seinen Beobachtungen liefern konnte. Ihm gelang es in den siebziger Jahren das Gebiet als Wasservogelschutzgebiet ausweisen zu lassen. Aus diesem erwuchs dann, daß abschließend am 18.12.2002 ausgewiesene Naturschutzgebiet Klienitz.
 
Seit Vereinsgründung beteiligt sich die GRÜNE LIGA mit Arbeitseinsätzen, Artenschutzmaßnahme und nicht zuletzt durch Flächenerwerb daran, die Schutzziele für das Gebiet zu erreichen. Ein wichtiges Ziel ist die Erhaltung der gewachsenen Natur- und Kulturlandschaft in unmittelbarer Nähe der Havelstadt. So schließt sich der Kreis wieder.  Wir verdanken Dr. Ernst Urbahn und seiner Frau Herta sehr viel. Oft waren sie ihrer Zeit voraus, vieles was von ihnen geplant war, findet heute erst Beachtung und kann umgesetzt werden. Wir bemühen uns in ihrem Sinne weiter zu wirken und aktiv zu sein.
 
Norbert Wilke